Standard statt Sonderlösung – warum Individualisierung teuer werden kann
- Stefan Radau
- 12. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Aug.
Was am Anfang nach Freiheit klingt, wird später zur Fessel
Wenn ich in ERP-Projekten dazustoße – oft dann, wenn es schon irgendwo klemmt – höre ich eine Aussage besonders häufig: „Das System kann das so nicht. Das haben wir individuell anpassen lassen.“ Was als Lösung gedacht war, entpuppt sich dann schnell als Problem.
Natürlich: Jedes Unternehmen ist besonders. Und natürlich hat jede Organisation ihre eigenen Prozesse. Aber wenn Individualisierungen zur Regel werden, entsteht oft ein komplexes Geflecht aus Sonderlocken, das kaum noch wartbar ist – geschweige denn zukunftsfähig.
Deshalb möchte ich in diesem Artikel beleuchten, warum der Mut zum Standard nicht Verzicht bedeutet, sondern eine Investition in Stabilität, Skalierbarkeit – und am Ende auch in Wirtschaftlichkeit.
1. Der Reiz der Sonderlösung – und seine Tücken
Am Anfang eines ERP-Projekts steht oft der Wunsch: „Das neue System soll alles so können wie unser altes – nur schöner.“
Die Folge: Altbewährte Workarounds werden übernommen, neue Prozesse so hingebogen, dass sie exakt zur bisherigen Arbeitsweise passen. Und wenn das nicht geht, wird eben „etwas programmiert“.
Das fühlt sich für den Fachbereich zunächst gut an: Man bekommt, was man kennt. Keine große Umgewöhnung, keine Diskussion über Prozessänderung. Aber langfristig bedeutet es:
Abhängigkeit von einzelnen Entwicklern
Hoher Testaufwand bei Updates
Schwerfälligkeit bei Weiterentwicklungen
Fehlende Vergleichbarkeit mit anderen Systemen
Und nicht zuletzt: steigende Kosten – bei jeder kleineren Änderung.
2. Warum Standardprozesse oft besser sind
Ich habe in vielen Projekten erlebt, wie viel Potenzial im ERP-Standard steckt – wenn man ihn richtig nutzt.
Die meisten Anbieter (auch Comarch) entwickeln ihre Standardmodule auf Basis bewährter Branchenprozesse, getrieben von Feedback aus unzähligen Implementierungen. Wer diese Standards nutzt, profitiert nicht nur von hoher Stabilität, sondern auch von:
schnellerer Einführung
niedrigeren Wartungskosten
klarer Dokumentation
besserer Updatefähigkeit
Natürlich muss man dafür auch mal liebgewonnene Abläufe hinterfragen. Aber gerade dieser Prozess – das bewusste Entscheiden: „Brauchen wir das wirklich?“ – ist oft der größte Hebel für echte Digitalisierung.
3. Die versteckten Kosten von Individualisierung
Individuelle Anpassungen kosten nicht nur Geld beim Programmieren. Sie kosten Zeit, Aufmerksamkeit – und oft auch Nerven.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Unternehmen hatte ein komplexes Modul zur Kommissionierung individuell entwickeln lassen, weil „der Standard das so nicht kann“. Die Lösung war tatsächlich beeindruckend – aber bei jedem Comarch-Update knallte etwas. Die Entwickler mussten immer wieder eingreifen, der Testaufwand stieg, und irgendwann traute sich niemand mehr, überhaupt auf eine neue Version umzusteigen.
Das Ergebnis: Die Lösung war technisch brillant – aber praktisch ein Klotz am Bein.
Ich frage in solchen Fällen immer: Was ist teurer? Die Anpassung – oder die Umgewöhnung? In den meisten Fällen ist es zweiteres.
4. Wann Individualisierung wirklich sinnvoll ist
Ich bin kein Gegner individueller Entwicklungen – im Gegenteil. Es gibt Situationen, da sind sie nötig und sinnvoll:
Wenn ein klarer Wettbewerbsvorteil über ein bestimmtes Prozessdesign erzielt wird
Wenn regulatorische Anforderungen bestehen, die der Standard nicht abdeckt
Wenn die Investition langfristig durch Automatisierungsgewinne amortisiert wird
Aber: Diese Entscheidungen sollten bewusst getroffen werden – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Strategie.
Unser Rat: Machen Sie Standard zur Regel. Und Individualisierung zur Ausnahme.
Dann behalten Sie die Kontrolle – über Kosten, Qualität und Weiterentwicklung.
5. Wie Sie den richtigen Weg finden
Was also tun, wenn Sie vor der Entscheidung stehen: Standard oder Individualisierung?
Ich arbeite mit einem einfachen Prinzip:
Verstehen: Was will der Fachbereich wirklich erreichen?
Abgleichen: Was kann der Standard? (Oft mehr, als man denkt.)
Bewerten: Was kostet eine Anpassung – einmalig und langfristig?
Entscheiden: Was ist aus Sicht des Unternehmens sinnvoll?
Dazu braucht es keine langen Gutachten. Oft genügt ein ehrlicher Workshop, ein paar klare Use-Cases und die Bereitschaft, gemeinsam nach der besten Lösung zu suchen – nicht nach der bequemsten.
Standard ist kein Rückschritt – sondern ein Fundament
Viele Unternehmen glauben, dass sie „besonders“ sind – und sind es auch. Aber das heißt nicht, dass ihre Prozesse komplett anders sein müssen. Im Gegenteil: Wer Standardprozesse akzeptiert, schafft Raum für das, was wirklich zählt – gute Produkte, gute Kundenbeziehungen, gute Entscheidungen.
Wenn Sie dabei Unterstützung brauchen – ich helfe Ihnen gern, diese Entscheidungen strukturiert und auf Augenhöhe zu treffen. Nicht als Systemanbieter, sondern als unabhängiger Projektleiter mit Blick fürs Ganze.
Jetzt unverbindlich ins Gespräch kommen
Sie stehen vor der Einführung eines ERP-Systems oder überlegen, Ihre bestehende Lösung zu erweitern? Sie wollen wissen, wie viel Standard wirklich sinnvoll ist – und wo Individualisierung lohnt?
Dann lassen Sie uns sprechen. Wir bringen Klarheit in Ihre Entscheidungsprozesse und begleite Sie durch jede Phase. Mit Struktur, Erfahrung und dem Blick fürs Wesentliche.
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